Brot

Ich betrat das schlauchige, weiß gekachelte Geschäft und spürte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Zum ersten Mal seit Jahren war der Fernseher ausgeschaltet, den man links über den Softdrink-Zapfhähnen verschraubt hatte. Die Bedienung – eine junge Frau, die mir seltsam vertraut vorkam und normalerweise gut gelaunt hätte sein sollen – versuchte beschämt meinen Blicken auszuweichen und ihre dunkelrot unterlaufenen Augen hinter ihrem Handrücken zu verstecken. weiterlesen →

Fünfundvierzig

Unser träges Gespräch wurde durch ein elektronisches Klingelsignal unterbrochen. Man hatte es scheinbar neu installieren lassen. Meine Mutter lugte zur Tür.
„Um diese Uhrzeit?“, stammelte sie künstlich überrascht, stellte ihr kaum befülltes Sektglas ab und verschwand hastig im Flur.
Ich wippte in schnellen Takten mit meinem Knie. „Lass das“ sagte mein Bruder ungerührt, der auf der anderen Seite des Tisches Platz genommen hatte. Ihn schien der nächtliche Besuch nicht besonders zu überraschen. weiterlesen →

Einundzwanzig

Ich bemerkte, dass ich bereits aufgewacht war. Die Projektionsuhr warf 4:47 in roten Ziffern an die Zimmerdecke. Schwerfällig lehnte ich mich über den Rand des Bettes und ertaste den Schieberegler der gelben Deckenlampe.
Der Raum war nach wie vor ein Kuriositätenkabinett meiner Kindheit: Die alte Motivtapete, Piratenschiffe und Haifischflossen abwechselnd, das Harry-Potter-Poster von damals. Ganz damals, als man sich noch hatte vorstellen müssen, wie er wohl aussieht. weiterlesen →